Freitag, 21. Dezember 2018
Gestern noch feste gearbeitet bis in die Puppen, nach dem Heimkommen die letzten Dinge verstaut im Gepäck, die Wohnung „gerüstet“ für die Abwesenheit und dann morgens hinaus in die regnerische Kälte zum Bus. Der setzt uns mit gefühlt 100 anderen Weihnachtsurlaubern in Tegel ab.
Der Flieger bringt uns nach München. Umsteigezeit ziemlich kurz. Der Airbus nach Delhi ist proppenvoll, die Flugzeit von 7,5 Stunden vergeht dank Verköstigung und Filmen „wie im Fluge“ (hahaha). Mit der Zeitverschiebung landen wir in Delhi 0:30Uhr Ortszeit und das Grausen beginnt.
Knapp zwei Stunden in der Schlange vor dem „Immigrationdesk“ – trotz E-Visum. Als dann endlich durch, die wundersame Entdeckung, das da nichts ist – jedenfalls nicht unser Gepäck. Mittlerweils ist´s 2Uhr nachts. Martin stellt sich in der Schlange vor dem Schalter Lost Baggage an und ich verlasse den Ankunftsbereich, um dem hoffentlich wartenden – unbekannten – Gruppenleiter Bescheid zu sagen.
Um es kurz und kürzer zu machen: nach 3 Uhr im Hotel, ohne Gepäck, hundemüde, der echte Reiseleiter noch nicht angekommen, Hotelzimmer riecht nach Desinfektionsmittel, der zugeteilte Wlanschlüssel funktioniert auch nicht – zumindest die Lady schiebt ´nen Blues.
Samstag, 22.Dezember 2018
Am Morgen lernen wir dann den echten Reiseleiter und die anderen Gruppenmitglieder kennen. Von unserem Gepäck erst mal weiterhin keine Spur.
Nach dem Frühstück geht es mit dem Bus los hinein nach Delhi. Dies bedeutet, hinein in ein nie geahntes, nie gekanntes Chaos. Die Dichte der 22 Mio Menschen, die in dieser Stadt leben, ist vom ersten Moment extrem spür- und sichtbar. Hupende Autos, knatternde Rikschas, kreischende Busse, donnernde Motorradfahrer kämpfen sich in nicht wirklich nachvollziehbaren Verkehrsregeln, einander schiebend, schneidend durch die mordsbreiten Straßen. Bettelnde und irgendein Zeugs zwischen Nikolausmützen, Bleistiften, Zeitungen, Postkarten, Naschwerk etc. verkaufende Menschen drücken sich im – eben nicht – fließenden Verkehr zwischen den Fahrzeugen herum auf der Jagd nach ´ner Rupie.
Das von uns so stark wahrgenommene Elend der Ärmsten, die neben den Fahrstreifen im Gebüsch schlafend, ruhend leben und wohnen, scheint im Bewusstsein der Einheimischen so integriert zu sein, dass es nicht als anstößig oder unwürdig betrachtet wird: auch eine Lebensform – wenngleich nicht die unbedingt selbst gewählte oder erstrebenswerte.
Unsere Gruppe besucht das Grabmal des Mogulherrschers Humayun aus dem 16. Jahrhundert, das als Vorbild für Taj Mahal gilt. Hier in der Weitläufigkeit des gartenähnlichen Geländes können wir ein wenig erholen von dem wilden Trubel Delhis.
Dann bringt uns der Bus zu der größten Moschee Indiens: der Jama Masjid. Üblicherweise müssen die Schuhe ausgezogen werden. Spannender als die Moschee selbst ist der Weg dorthin: der Bus wirft uns wegen des Verkehrschaos an einem Straßenmarkt ca. 300m vor der Moschee raus.
Es gibt nach dem Moscheebesuch ein spätes Mittagessen: Tandoori: verschiedene Gemüse und Fleische, die im Ofen gebraten wurden. Zum Abschluss des Tages fahren wir noch ins Regierungsviertel und bewundern die bunt illuminierten monströsen Ministerien.
Als die anderen Gruppenteilnehmenden nach Rückkehr sich ins Hotel verzupfen, laufen wir noch ins die nahe gelegene Mall, um uns mit Not-Socken, -Unterhosen und – T-Shirts zu versorgen.
Die Jetlag-Müdigkeit schlägt dann erbarmungslos zu, aber die Nacht durchzuschlafen wird dennoch eine Herausforderung.
Sonntag, 23. Dezember 2018
Martin ist schon sehr gespannt, ob denn mit dem Tag-danach-Flieger unsere Taschen nun mitgekommen sind – und entsprechend enttäuscht, als keine rote und schwarze Tasche in der Lobby entdeckt werden. Wir fügen uns dem Schicksal und gehen erst Mal frühstücken. Martin spricht den Reiseleiter auf das weiterhin fehlende Gepäck an, der zeigt sich erstaunt und telefoniert ein bisschen und Wunder über Wunder: kurz vor Abfahrt des Bus ist´s auf einmal dann doch da unser Gepäck. Ein Steinchen fällt vom Herzen.
Der Bus setzt sich mit der ganzen Gruppe in Richtung Süden in Bewegung. Am frühen Sonntagmorgen kommen wir gut aus dem Moloch Delhi heraus. Der Reiseleiter erzählt so einiges über die Entwicklung Indiens in den letzten 20 Jahren (von Sandstraßen zu Autobahnen; vom Dorftelefon zu individuellen Smartphones; vom fast flächendeckenden Analphabetismus zur 75% Alphabetenrate u.v.m.) und die Mentalität der Inder. So z.B. ist es für einen Inder undenkbar, jemanden alleine sitzen, wohnen, stehen zu lassen. Privatsphäre kennen Inder nicht und weil sie sie nicht kennen, vermissen sie sie auch nicht. Auswirkung hat dies auf den Kontakt – auch des Hotelpersonals – zu Europäern: sobald jemand sich absentiert oder als Einzelreisender im Zimmer ist oder sich an einen Tisch setzt, gesellen sich Einheimische dazu, damit dieser „arme Mensch“ nicht so einsam ist. Was die Situation im Hotel betrifft, bedeutet das, dass das Personal immer und immer wieder wegen Kleinigkeiten an die Türe klopft.
Mit alle diesen Geschichten landen wir am Nachmittag beim Fort Amber, einer gewaltigen Burganlage, die sich über mehrere Hügelkämme erstreckt. Weil schon ein bisschen dem Tageszeitplan hinterher hinkend, fahren wir mit kleinen Geländewagen hinauf auf den Burghauptplatz durch die engen Gassen. Bei jedem Stopp werden wir von verkaufsbegierigen Kindern und Jugendlichen bedrängt. Ob aber jemand aus der Gruppe einen der Turbans, Fächer, Taschen, Schuhlöffel auch wirklich kaufte, ist nicht belegt.
Oben angekommen finden wir uns wieder in einer wiederum unglaublichen Menge von ausflugsbegeisterten indischen Familien und äußerst aufdringlichen Händlern. Der treppauf. –treppab Besichtigungsspaziergang durch die Burganlage gibt zwar etliche tolle Ausblicke preis, ist aber mehr anstrengend als informativ.
Hinab, wieder zum Bus, laufen wir die den Hügel umschlingenden Treppen hinunter, vorbei an wieder Massen von Händlern. Unten nach einer knappen halben Stunde angekommen erfasst man beim Zurückschauen erst die beeindruckende Weite und Großartigkeit des Fort Amber.
Noch ist der Tag nicht zu Ende. Es geht weiter mit dem Bus nach Jaipur. Bevor wir in das Hotel einchecken, besuchen wir noch eine Teppichknüpferei und Stoffdruckerei, bekommen die Herstellungsverfahren von einem der Besitzer, einem imposanten Sikh mit Turban, vorgeführt und schließlich angeboten, dort auch käuflich Teppiche und/oder Stoffliches zu erwerben.
Reichlich spät geht´s zurück zum Hotel in Jaipur über die quirlige Uferstraße entlang des Man Sagar.
Das Hotelzimmer ist großzügig, sauber und komfortabel eingerichtet. Noch haben wir den Jetlag nicht überwunden und kippen nach dem Buffetabendessen sehr müde in die Kissen.
Montag, 24.12.2018
Heiligabend heute und es fühlt sich nicht so an. Das morgendliche Frühstücksbuffet enthält jede Menge Dinge, die für unseren Gaumen zu scharf sind, aber auch einiges, was man essen kann. Das Ansinnen, nicht in der Gruppe zu sitzen, sondern alleine, trifft auf unverhohlenes Unverständnis des Personals – ob der Grund ist, dass Inder keine Privatsphäre kennen und sich immer sorgen, wenn jemand alleine ist, wissen wir nicht.
In der Früh zieht eine Horde Pelikane schwimmend über den See.
Unsere Gruppe fährt um halbneun los, hinein nach Jaipur und unser Bus lässt uns in der Nähe des Palastes der Winde raus – zu der einzigen Zeit des Tages, wo dies möglich ist. Später am Tag darf kein Auto auf der vierspurigen Straße mehr halten – aber das werden wir noch erleben.
Der Palast der Winde ist eigentlich nur eine 3m tiefe Tribüne mit wunderschöner Fassade. Gebaut, damit die Damen der Maharadschas ungesehen die Prozessionen der früheren Zeit beobachten konnten.
Schlangenbeschwörer platzieren sich auf dem Trottoir und fordern aggressiv ihren Lohn von den Fotografierenden. Wir ziehen dann zu Fuß weiter zum Observatorium Jantar Mantar und bewundern die strenge, geometrische Architektur der schattenmessenden Mauern und die dahinter liegende geniale Rechenkunst der Astronomen.
Danach geht´s weiter zu Fuß durch die pinke Altstadt: Hektik und Gehupe umschwirrt uns wie ein Bienenstock. Zwei Hindutempel werden besucht und das Leben Krishnas erklärt und die zum Gotteshaus gehörenden Rituale.
Das Überqueren der Straße wird jedes Mal zum Kamikazeabenteuer. Das Auge wird stets angeregt von der Farbenpracht, die Nase kräuselt sich ob des Uringeruchs.
Tauben sch ...... Martins Kameras voll und mühsam entfernen wir den Schmuddel mit Desinfektionstüchern. Um die ersten freilaufenden Affen machen wir einen großen Bogen.
Mit dem Bus geht es durch den mittlerweile angeschwollenen und damit zähen Verkehr zu einer Edelsteinschleiferei. Der superdünne Geschäftsinhaber zeigt uns die Werkstätten in denen die Handwerker in Miniarbeitsplätzen auf zerschlissenen Drehstühlen sitzend Fiesel-Filigranarbeit an Rubinen, Smaragden, Saphiren usw. machen und diese mit Gold oder Silber zu Schauschmuckstücken verwandeln.
Eine Etage höher befindet sich dann auch ein großer Verkaufsraum und mit einer kleinen Mittagsverköstigung werden wir eingeladen zu schauen – und natürlich zu kaufen. Es dauert ein langes Weilchen, aber drei der Damen aus der Gruppe schlagen letztendlich zu. Ist ja alle immer sehr Geschmacksfrage, was gefällt …
Danach geht wieder mit dem Bus zurück ins Hotel. Diesmal dauert der Weg ewig, nur wenige Meter pro Minute kommt der Bus in dem höllisch lauten und dichtem Verkehr voran.
Es ist strahlender Nachmittag als wir zurück sind und wir beschließen den letzten Tagesordnungspunkt heute – den Besuch eines sozialen Projekts für unterprivilegierte Kinder – auszulassen und uns auszuruhen.
Am Abend präsentieren junge Inderinnen und Inder mit roten Nikolausmützen bewehrt amerikanische Weihnachtslieder vor den Hotelgästen und zur Feier des Tages sind dann auf dem Rasen im Garten des Hotels – fußballfeldgroß – Tische eingedeckt und Stühle mit Hussen verschönert. Rundherum bieten Stände mit exotischem Essen jeden erdenklichen Gaumenkitzel an. Ein großes Spektakel im Freien, dazu laute Beschallung durch eine Band. Frohe Weihnacht überall!
Dienstag, 25.Dezember 2018
Langsam beginnt der Körper sich an die Zeitverschiebung zu gewöhnen und die Nächte werden einigermaßen gut durchgeschlafen. Früh geht es los am Morgen des Weihnachtstages, da wir eine lange Tour gen Nordwesten in unbesiedelteres Gebiet vorhaben.
Nachdem der Bus sich diesmal ganz gut durch das morgendliche Jaipur geschlängelt hat, verlassen wir die Stadt gen Westen in Richtung Bikaner. 330km liegen vor uns. Die Straße kommt uns freundlich entgegen, gelegentliche Bodenhoppel wirken drohendem Bus-Koma-Schlummer entgegen.
Der Reiseleiter erzählt wieder viel von Land und Leuten und im Besonderen nicht einem vom Wolf, sondern von der (in Indien heiligen) Kuh.
Alle zwei Stunden halten wir an einem der Midways – den erst seit wenigen Jahren existierenden Rasthäusern. Die Außenumgebung wird zunehmende mehr Wüste, trockener, sandiger und menschenleerer.
Am Nachmittag kommen wir in Bikaner an, die im touristischen Abseits gelegenen spröden Wüstenrandstadt. Wir besichtigen ausgiebig das Junagarh Fort, die Palastanlage des letzten Maharadschas (= Großkönig) Bikaners. Viele Hallen, Zimmer, Schlafräume und Tempel zeugen von der alten Pracht und dem Reichtum der ehemaligen Bewohner.
Über Nacht sind wir im ehemaligen privaten Wohnhaus des Maharadschas, das heute ein Hotel ist. Auch diese Anlage ist äußerst weitläufig und ebenfalls prachtvoll. Skurril wirkt auf uns, dass die Fenster aus „gelöchertem“ Sandstein sind – um im heißen Sommer die überbordende Hitze aus dem Haus zu halten. Jetzt im Dezember aber bedeutet dies, dass die Zimmer komplett ausgekühlt und sehr dunkel sind. Hätten wir keinen strombetriebenen Radiator, wären wir über Nacht erfroren.
Mittwoch, 26. Dezember 2018
Heute geht es südwestsüdlich weiter. Wieder steht eine lange Busfahrt von über 300 km an. Der Busfahrer und sein Helfer laden morgens nach der individuellen Kofferidentifizierung (was aber noch immer nicht jeder Reiseteilnehmer verstanden hat) alles Gepäck ein – das tägliche Muckitraining.
Mit den Informationen über die Bautätigkeit in der Wüste, die Karawanen früherer Zeiten und das Handelswesen sogar mit einem indischen Märchen und wiederum einer Musikimpression verkürzt der Reiseleiter wieder die Busfahrt.
Am Nachmittag kommen wir im Hotel Rang Mahal in Jaisalmer an. Kurz nach dem Einchecken ziehen wir schon wieder los zu einer Verbrennungsstätte der Hindus und lauschen sehr beeindruckt den Schilderungen der Totenzeremonie: die Trauergemeinde wartet bis nach ca. 1,5 Stunden der Schädel des/der Toten platzt mit einem lauten Knallgeräusch, dann erst kann die Seele den Körper verlassen.
Bis zum Sonnenuntergang bleiben wir noch auf dem Gelände, fahren dann zurück zum Hotel. Um 19:30 Uhr trifft sich die ganze Gruppe auf der Dachterrasse des Hotels und der Guide gibt eine Runde indischen Rum aus und verteilt Weihnachtsgeschenke: jede/r Teilnehmende erhält eine Tube indische Wunder-Zahnpasta.
Das Abendessen findet opulent wieder draußen im weitläufigen Garten des Hotels statt.
Donnerstag, 27. Dezember 2018
Nach dem Frühstück geht es mit dem Bus zum Gadi Sagar, einem See am Rande der Stadt Jaisalmer. Der See wird nur vom Monsun gespeist und in ihm befinden sich auch Verbrennungsstätten, die wie schwimmende Tempelpavillions wirken. Der Reiseleiter erklärt wieder allerhand. Dicke hässliche Welse, die den See ungefischt bewohnen, recken ihre struppigen Schnauzbärte an die Wasseroberfläche.
Der Bus sammelt uns wieder auf und fährt uns hinauf zu den Toren der Altstadt von Jaisalmer. Im Gänsemarsch tapern wir mit dem Audioset im Ohr durch die märchenhafte, wuselige Wüstenstadt und sammeln- ständig den mächtigen Kuhfladen der heiligen Tiere ausweichend - Eindrücke und Fotos.
Mittags besuchen wir einen Laden, der bestickte Stoffprodukte weiter vertreibt, die in den Wüstendörfern von Frauen produziert wurden. Zum Mittagessen klettern wir auf die Dachterrasse eines Cafés, um dort ein vegetarisches Thali, einen Teller mit verschiedenen Gemüsen und Beilagen, zu verspeisen.
Heimwärts geht es dann mit Rikschas und eine Sonnen-Ausruhrunde am Hotelpool schließt sich an.
Am Abend gibt´s dann wieder Buffet im Freien mit live Musikbegleitung.
Freitag, 28. Dezember 2018
Da momentan Ferien in Indien (oder nur in Rajastahn?) sind, fällt der vorgesehene Besuch in einer indischen Schule aus. Wir fahren ein wenig später los und der Reiseleiter erzählt im Bus vom Schulsystem (Schulpflicht für alle Kinder ab 6 Jahren bis zur 12. Klasse, Klassenstärke bis zu 80 Kinder, morgendlicher Schulappell mit Schulleitung, einheimische Sprache als erste Unterrichtssprache, Hindi als zweite und ab der 9. Jahrgangsstufe Englisch noch dazu).
Wir fahren Richtung Pokaran, also etwas zurück, und dann östlich. Mittags kommen wir bei einer Raststation am Rande der Wüste Thar an und steigen nach einer Portion ziemlich scharfer Linsensuppe und Samosa in Geländewagen um. Jeweils ein Geländewagen bestückt mit acht Teilnehmenden auf der Plattform und einem Menschen, der vorne als Beifahrer*in mitfährt.
Zunächst besucht der kleine Tross eine einheimische Familie – very natural – Bauern bzw. Schmied je nach Jahreszeit. Gegen Entgelt zeigen Mutter und Vater wie sie schmieden und Fotos werden vom Hausinneren gemacht. Die annähernd 10 Orgelpfeifenkinder der Familie machen leichte Konversation, geben den mitfahrenden örtlichen Guides den Korruptionsanteil ab und betteln nach ein paar Rupien.
Die Tour geht dann weiter durch die Halbwüste, bewachsene Dünen hinauf und steil hinab. Die Wagenladung kreischt …
Nach einer knappen Stunde und drei Antilopen ist die Chose vorbei und wir erreichen das Wüstencamp und bekommen die Zelte zugeteilt. Bald danach hopsen wir dann jeweils zu zweit auf Kamele und latschen – bzw. die latschen – einmal quer durch das Gelände. Das Vergnügen dabei ist zweifelhaft.
Wir sollen jetzt duschen oder nie und entscheiden uns für nie. Nach Sonnenuntergang gibt´s eine draußen eine folkloristische Tanz- und Musikvorführung und eine weitere Stunde später Abendessen –alles draußen. Bekannterweise ist´s saukalt in der Wüste nach Sonnenuntergang – so auch heute und auch die drei übereinander gezogenen Jacken verschaffen keine wohlige Wärme.
Ein wunderschöner klarer Sternenhimmel und ein indischer Brandy im Glas können die bevorstehende nächtliche Herausforderung nur punktuell lindern.
Im Zelt lassen wir den kleinen Heizlüfter die ganze Nacht über schuften und ächzen, um unter Lagen von Wolldecken auf dem brettharten Bett die Nacht zu überstehen.
Samstag, 29. Dezember 2018
Am Morgen zum (Draußen-) Frühstück kommen manche Teilnehmende noch mit Winterparka und Mütze durch den Sand angestolpert. Sobald die Sonne ein wenig höher klettert wird´s aber auch schon wieder angenehm.
Die Geländewagen bringen uns wieder zu unserem Bus und der setzt sich Richtung Süden in Bewegung. Wir halten Kurs auf Jodhpur – ca. 1,5 Stunden. Dort besichtigen wir die wirklich, wirklich gigantische Burganlage Meherangarh Fort aus dem 15. Jahrhundert. Aus dem 120m hohen Felsen scheint sich die Festung quasi herauszuschälen. In früheren Zeiten hielten sich in der gesamten weitläufigen Burganlage bis zu 30.000 Menschen auf.
Am heutigen Tag sind mit uns außerdem noch ca. 29.000 indische Menschen zur Burgbesichtigung angereist (Ferien! Samstag!). Der Einbahnstraßenverkehr in dem man die vielzähligen Räume und Innenhöfe durchläuft hilft das Menschengewimmel einigermaßen heil zu überstehen.
Nach guten 2,5 Stunden, nun erheblich schlauer, was die indische Geschichte betrifft und voll von Episoden und Anekdoten, kommen wir auf dem staubigen Parkplatz wieder an, wo unser Bus steht.
Nach einer Mittagspause im Gartenlokal bringt uns der Bus noch südlicher, nach Luni, einem winzigen Dorf mit unvermutetem Maharadscha-Palast – unserer Bleibe für die Nacht.
Ein indisches Hochzeitspaar verbringt hier einen Teil der Flitterwochen und mehrere extra engagierte Fotografen schießen mit dicken Objektiven und auch mit einer Drohne die Erinnerungsbilder.
Sonntag, 30. Dezember 2018
Am noch kühlen Morgen gegen 07:30 Uhr räumt der weißbärtige Wächter sein Nachtlager auf der Innenseite des großen verschlossenen Tores zusammen. Eine noch lodernde Feuerschale hat ihm anscheinend in der kalten Nacht ein wenig Wärme gespendet.
Wir fahren heute weiter Richtung Süden und haben den Jainatempel bei Ranakpur zum Ziel. Eine erhebliche Strecke auf äußerst holpriger Autobahn und dann eine noch viel größere auf mega holpriger Landstraße ist zu bewältigen. Etliche Male staucht es alle Reisenden in und aus den Sitzen – trotz des wie immer sehr umsichtigen Busfahrers.
Bevor wir den berühmten Tempel erreichen pausieren wir einmal am Wegesrand bei einem Bauern, der eine Sesammühle betreibt mit einem Ochsen, dem die Augen verbunden sind (sonst würde er das ewige im Kreis Gelaufe auch nicht mitmachen) und einmal bei einer Schildkröte, die zu einem Gartenlokal gehört, wo wir zu Mittag speisen.
Auch Affen und Streifenhörnchen laufen herum.
Endlich nach vielen Stunden angekommen auf dem Parkplatz vor dem Jainatempel instruiert uns der Reiseleiter bezüglich aller Dos and Don´ts: Schuhe ausziehen vor dem Tempel, keinerlei Leder in den Tempel mithineinnehmen (also kein Gürtel, kein Uhrarmband, keine Hose mit Markenicon aus Leder, alle Handtaschen im Bus lassen usw.). Bewaffnet mit einem Audioguide kann jede/r selbst das Tempo bestimmen in dem der schon sehr beeindruckende Tempel mit seinen 1444 unterschiedlichen Säulen durchlaufen wird.
Als wir uns eine gute Stunde später wieder beim Bus treffen, hat der eine zig Fotos auf der SD-Karte und die andere die Stationen des „Audioguide“ zweimal so sorgfältig abgehört, dass sie nun neue Episode für „Enterprise“ kreieren könnte.
Von dort aus geht´s weiter ins Aravalligebirge hinein Richtung Udaipur. Am Straßenrand sitzen haufenweise Affen. Der Bus schleppt sich mit seinen schlappen 132 PS die Gebirgskurven hinauf – bloß nicht stehen bleiben. Das wird erst beim Herabfahren wieder möglich und da halten wir bei einem Bauern, der sein Feld mittels persischem Rad und Ochsen bewässert.
Als wir nach Udaipur reinkommen erlebt man gleich die sehr lebendige Stadt, aber eben auch, dass das auch viele Inder so empfinden: Megastau. Der Bus quält sich fast 1,5 Std durch das Gehupe und Geschiebe bevor wir dann doch noch im Luxushotel ankommen und mit Ingwertee begrüßt werden.
Montag, 31. Dezember 2018
Mist! Erkältung quält am Morgen Nase und Allgemeinbefinden - mal sehen wie das werden wird heute. Mit Aspirin intus und zwei aufgelösten Safranfäden (indisches Geheimrezept) geht es los zu einer Malschule in der uns gezeigt wird, wie Miniaturen entstehen – danach kann man sie käuflich erwerben (was dann auch wieder ein paar Mitreisende tun).
Weiter geht´s dann zum Stadtpalast Udaipurs (… dem größten und schönsten Rajasthans), den wir anschließend ausgiebig besichtigen – wieder zusammen mit tausenden von Indern. Alle schön im Gänsemarsch.
Nach dem Palastbesuch strolchen wir beide noch ohne die Gruppe durch Udaipur auf der Suche nach Leggings (für abends), nach indischem Rum und nach einer Rikscha, die uns heimfährt. Es fühlt sich gut an, wieder mal allein zu zweit unterwegs zu sein!
Udaipur gilt als romantischste Stadt Indiens. Das harmonische Zusammenspiel zwischen intakter Altstadt, Palast, dem vom Monsun gespeisten Pichola-See und der Bergkulisse des Aravalligebirges lockt Touristen genauso an wie Locationscouts für internationale Filme.
Zum Sonnenuntergang machen wir eine Bootsfahrt mit den Hotel eigenen Booten und verstehen, warum Udaipur auch das indische Venedig genannt wird.
Dann geht es hinein in den letzten Abend des Jahres und wie eben in Indien üblich wird auch dieses Fest draußen gefeiert – nur gut, dass wir eine Leggings ergattert habe heute. Der Herr Partner trägt zwei Hosen übereinander – wohl dem der sich das figürlich leisten kann.
Dienstag, 01. Januar 2019
Es geht etwas später los als sonst am Morgen und es wird ein rumpeliger und etwas öder Tag. 300km donnert der Bus auf überaus Schlaglöcher intensiven Straßen gen Nordosten. Der Reiseleiter spricht die (ganz normale) Urlaubsdepression an, die wohl viele ergriffen hat: die Nase läuft, es wird prächtig gehustet, einige haben mit Magen-Darm zu tun und er heutige Tag ist nicht mit Highlights gesegnet. Teilweise springt man 20cm im Bussitz hoch, wenn wieder eine Bodenschwelle oder eine andere Unebenheit genommen wird.
Wir beide machen es uns wie üblich auf der hintersten Bank bequem und lesen unsere mitgebrachten Zeitungen und Magazine. Der einzige Mittagsstopp birgt auch nur gruselige Toiletten und einen weiteren Anlass zur Verstimmung, weil beim Geldeinsammeln für die Gesamtrechnung für die Linsensuppen und die Getränke gut 1000 Rupien fehlen.
Am Ende des Tages kommen wir in dem kleinen Städtchen Bundi an, von dem der Reiseführer schreibt, dass der „Wind of Change“ an ihm vorbeigezogen sei. Die Gruppe macht noch einen Abendspaziergang durch das dreckige, laute, ursprüngliche Bundi vorbei an fliegenden Händlern, hupenden Autos und knatternden Moppeds zum Stufenbrunnen – einem 46m in die Tiefe führenden Wasserversorgungsareal, das die ganze Dorfbevölkerung bedienen konnte. Heimwärts geht es dann durch den Altstadtbazar.
Das Hotel ist grade mal okay, ein wenig kalt, ein wenig gesichtslos. Wir schlafen in einem der beiden Betten zusammen, um uns zu wärmen.
Mittwoch, 02. Januar 2019
Gleich am Vormittag fahren wir an den Rand Bundis und erkunden mit einem Localguide, einem Archäologen, den an den Berghang gebauten gewaltigen Garh Palace, eine über 500 Jahre alte, heute unbewohnte, marode Herrscheranlage. Der Archäologe verliert sich in Unmengen von Details und die Fotografen in der Gruppe kommen gut auf ihre Kosten.
Mittags geht es dann mit dem Bus weiter nordöstlich über knapp zwei Stunden bis nach Ranthambore. Unser Reiseleiter warnt schon ein wenig vor zu großen Erwartungen an das nächste Hotel – und wird gottseidank enttäuscht, weil uns in dem Nationalparkgebiet eine wahres Wunderwerk aus weißen Gebäuden, Kuppeln, hübschen Innenhöfen und eleganten Zimmern empfängt.
Als auch noch das Wlan einwandfrei funktioniert, sind alle glücklich.
Das Abendessen wird stilvoll mit offenem Wärmefeuer und Barbeque im Garten serviert.
Donnerstag, 03. Januar 2019
Sehr früh – noch vor Sonnenaufgang – geht es mit offenen Geländewagen los in den Nationalpark hinein. Zwei lokale Führer versprechen uns, den Tiger zu suchen. Wir entdecken zwar dessen frische Losung und Spuren, aber sehen außer großen Sambarhirschen und indischen Gazellen noch ein paar besondere Vögel, jedoch keine wilden Tiger. Die Fahrt an sich ist sehr schön: hinein in den frühen Morgen über gröbste Schotterpisten steil bergauf. Wir beide mögen das, nicht alle anderen Mitfahrenden auch.
Als fast alle Hoffnung auf die gesuchte Raubkatze aufgegeben sind, entdeckt der Wagenlenker dann doch plötzlich eine Dschungelkatze. Wikipedia sagt, das Viech heißt auch Rohrkatze oder Sumpfluchs. Gespannt folgen der 4x4 und die Fotoobjektive der Raubkatze über ca. 500m –bis sie im Gebüsch entschwindet.
Uns hat dieser frühe Ausritt gut gefallen und so treten wir froh gestimmt bei der Rückkehr das Frühstück an. Anschließend pausieren wir in der Sonne am Pool und freuen uns auf die gebuchte Massage am Nachmittag.
Von unseren Reisegefährten hat auch bei der kostenpflichtigen Zusatztour am Nachmittag niemand einen Tiger zu sehen bekommen.
Freitag, 04. Januar 2019
Großes Trouble am Morgen, weil eine Mitreisende doch ziemlich erkrankt ist, dies nicht mitgeteilt hat und sich von der Gruppe absentiert hat. Die Dame ist kaum ansprechbar. Auf der Weiterfahrt kümmern sich zwei Mitreisende, die auch Ärzte sind um die Dame. Dennoch sind alle sehr froh, als in Fatehpur Sikri eine Ambulanz die Dame übernimmt und ins Krankenhaus nach Agra bringt.
Wir besichtigen die von Großmogul Akbar im 14. Jahrhundert erbaute gigantische Festungsanlage. Der Reiseleiter erzählt uns wieder in allerhand illustren Anekdoten das Leben und Wirken Akbars.
Dann geht nochmal 1,5 Stunden nach Agra in unser letztes Hotel der Reise – wieder ein Trident.
Samstag, 05. Januar 2019
Gleich nach dem Frühstück geht es zum Taj Mahal. Ziemlich aufwändige Sicherheitskontrollen sind erst einmal zu absolvieren bevor der Blick auf den zauberhaften weißen Bau frei wird. Zwar wimmelt es vor Indern, die alle auch das Wunderwerk sehen wollen, aber die Masse der Menschen verläuft sich in den parkähnlichen Anlagen vor dem Grabmal.
Mittags besuchen wir eine Marmor-Einlege-Werkstatt und dann schließt sich eine Ruhepause im Hotel an. Man erfährt, dass sich die im Krankenhaus geglaubte Dame selbst wieder entlassen hat – entgegen allem Anraten der Ärzte. Kopfschütteln bei den Reiseteilnehmenden und Entsetzen beim Reiseleiter.
Nachmittags fahren wir nochmals los und besichtigen das monumentale Rote Fort, die Machtzentrale der Mogulen des 16. und 17. Jahrhunderts. Einen super ausgeklügelten, weitläufigen und vor allen Dingen proportional wirklich schönen Gebäudekomplex haben wir in der Spätnachmittagssonne vor uns liegen.
Abends beim gemeinsamen letzten Abendessen gibt es nochmals Aufregung wegen der unvernünftigen kranken Dame, die mittlerweile im Hotel ist – mich erinnert das alles sehr an meine Mutter.
Sonntag, 06. Januar 2019
Nachdem Auschecken aus dem Hotel geht es nochmals zu einer Besichtigung: nochmal ein Grabmal.
Aber alle sind mittlerweile müde und sehnen den Heimflug herbei. Dem steht noch eine gut 6stündige Busfahrt nach und durch Delhi, die Verabschiedung und Bedankung bei Busfahrer, Helfer und Reiseleiter zuvor. In Delhi werden wir am Abend noch in einem Hotel zwischengeparkt bevor wir um 23 Uhr mit dem Bus abgeholt werden und um 01:50 Uhr abfliegen sollen.
Montag, 07. Januar 2019
Der Transfer zum Flughafen in Delhi verlief unkompliziert. Die avisierten Warteschlangen vorm Ausreisecounter und vor dem Securitycheck haben wir auch – im wahrsten Sinne des Wortes – ausgestanden. Weil der Flug dann doch auch noch verspätet (02:40 Uhr!) abgeht, haben wir ausreichend Zeit unsere gesammelten Eindrücke mit den Erwartungen an diese Indienreise abzugleichen.
Das Resümee fällt positiv, aber nicht überschwänglich aus. Vieles, was wir gesehen und erfahren haben, muss erst noch sacken und seinen Platz im Puzzle unserer Reisen bekommen.
Als wir am späten Vormittag wieder in Berlin ankommen, kommt uns unsere Stadt so leer vor … alles eine Frage der Verhältnisse.