Samstag, 19. bis Dienstag, 22.November 2022
Wir haben beschlossen, die karge November- und die (für uns nicht so attraktive) Vorweihnachtszeit nicht im kahlen und kühlen Berlin zu verbringen, sondern lieber wieder nach Spanien zu düsen. Der Vergleich der Klimatabellen November/Dezember gegenüber März ließ auf angenehmere Temperaturen bei etwas reduzierter Tageshelligkeit schließen.
Also geht es am Samstag, dem 19.11.2022, los. Berlin erlebt sein erstes Schneeerlebnis des Winters an diesem Tag, die Enkelkinder freuen sich über den ersten selbstgebauten Schneemann. Wir fahren bis nach Sinsheim und übernachten auf dem Parkplatz des Technikmuseums.
Am nächsten Tag erreichen wir am Abend den urbanen Campingplatz in Dardilly vor Lyon. Am darauffolgenden Morgen ist´s das pure Chaos, uns in dem Gewimmel der Straßen um Lyon zurechtzufinden und die richtige in Destination Marseille zu identifizieren. Mit und ohne Navi sind wir heillos verloren und sprechen uns gegenseitig Mut und Beruhigung zu. Durch falsches Abfahren und (für uns) undurchsichtige Verkehrsführung verlieren wir gute 30 Minuten. Bis zum Abend läuft es dann wieder alles glatt und wir erreichen den Stellplatz bei Leucate am See, gut 40km südlich von Narbonne. Es windet stark, regnet und ist stockdunkel und wir brauchen gut elf Stunden Schlaf, um uns von den bisherigen Anreisestrapazen zu erholen.
Am Morgen bei der Abfahrt verhindert die hernieder gehende Schranke eine zügige Ausfahrt vom Stellplatz, aber der telefonisch herbeigerufene Maître ermöglicht dann diese nach einer Viertelstunde durch das richtige Drücken der Tasten am Ausfahrtterminal.
Ein gigantischer Regenbogen verspricht dann aber, dass es ein guter Tag werden wird. Nach weiteren 40 Minuten überqueren wir die Grenze nach Spanien und freuen uns über den ersten Cortado. Ungetrübte Fernsicht auf die schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen und steigende Temperaturen treiben uns unserem Ziel, dem Campingplatz bei L´Ampolla am Ebrodelta, entgegen, den wir am frühen Nachmittag gegen 14:30Uhr erreichen. Ca. 2000 km liegen hinter uns seit der Abfahrt in Berlin.
Als Bus und Anhänger ihren Platz auf dem Campingplatz eingenommen haben, laufen wir entlang der Strandpromenade bei milden 17°C hinein in den Ort und kaufen noch Lebensmittelnachschub bei einem der örtlichen Supermärkte ein.
Abends gehen wir ins hübsche Platzrestaurant und speisen fürstlich bei einem Glas Wein Spareribs bzw. Seefisch. Zum ersten Mal seit der Abfahrt können wir in dieser Nacht das Aufstelldach nutzen.
Mittwoch, 23. November 2022
Geburtstag! Und wie da das Wetter mitmacht! Sonne am Morgen, Frühstück im Freien, Café con Leche und Tomatenbrot. Dann geht es auf zu einer ausgiebigen E-Biketour durchs Ebrodelta. Auf den abgeernteten Reisfeldern tummeln sich Scharen von Vögeln: Reiher in weiß und grau und Möwen, sowie lustige Gesellen in schwarz mit langen Schnäbeln. Auch Flamingos sehen wir im flachen Wasser stehen. Die Wege innerhalb der landschaftlich genutzten Flächen sind nur sehr begrenzt vom Individualfahrenden betret- und befahrbar, aber wir finden unseren Weg.
Wunderbare Impressionen von auffliegenden Vögeln oder ganzen Schwärmen vor blitzeblauem Himmel mit den schärfsten Wolkenformationen begeistern die Radelnden. Man könnte hier gut und gerne längere Zeiten mit dem besten der besten Teleobjektive verweilen um die, die einzig wirkliche, Naturaufnahme zu machen. Was muss das für ein Augenschmaus sein, wenn im Frühjahr oder beginnenden Herbst Abertausende von Zugvögeln hier pausieren.
Gut 40km legen wir zurück und sind dann gegen 14:30Uhr zurück am Campingplatz und nehmen bei sonnigen 21°C das köstliche Menu de Dia ein. Ein Lazy-Afternoon, ein kleiner Strandspaziergang und ein Negroni in der Bar folgen, bevor wir den Abend bei Gesprächen, Planungen und Beantworten der zahlreichen Glückwünsche der Freunde und Familie zum Geburtstag ausklingen lassen.
Donnerstag, 24. November 2022
Es bleibt bei dem schönen, warmen Wetter. Ein paar wenige Grad kühler, aber allemal schön genug, um einen Motorradausflug zur südlichen Hälfe des Ebrodeltas zu machen. Also wird nach dem Frühstück die noch im Anhänger schlafende Gummikuh geweckt und entladen und in Stellung gebracht. Die Sozia schwingt sich auf den hinteren Sitz und wir düsen über die kleinen Straßen bis zu den Landspitzen des Delta (zumindest, soweit man fahren darf), auf Schotter entlang der Reisfelder und sehen Kolonien von krächzenden Flamingos und wieder und immer wieder auffliegenden Seevögeln. Die Möwen – allen voran – scharen sich dicht hinter den arbeitenden Traktoren, um die besten Leckerbissen in der frisch aufgewühlten Erde abzugreifen.
Am südlichsten Ende des Deltas, einer Landzunge auf Sand, kommen uns dann zwei nette Endurofahrer entgegen und halten, wo wir halten. Es sind aber keine Touristen, sondern „Natur-Umwelt-Polizisten“ auf armeegrünen Moppeds, die uns drauf hinweisen, dass für die weitere Strecke hier draußen motorisierter Verkehr verboten ist. Wir treten den Rückweg an und sind nach 100km Rundfahrt und vier Stunden am frühen Nachmittag zurück auf dem Campingplatz.
Gerade rechtzeitig genug, um erneut das Tagesmenü im Platzrestaurant – diesmal Paella mit Meeresfrüchten – einzunehmen. Es folgt wieder ein sinnierender und lesender Nachmittag, sowie die Planung der nächsten beiden Tage.
Freitag, 25. November 2022
Heute darf die BMW erneut ran. Ziel ist es, am Ebro hinauf bis Zaragoza zu fahren. Die BMW nimmt uns beide auf ihren Rücken und wir verlassen mit den Gepäckrollen hintendrauf den Campingplatz gegen 10Uhr bei lauen 16°C. Erste Station ist nach 25km Tortosa. Wir hoppeln durch den morgendlichen Berufsverkehr der gut 33.000 Einwohner:innen zählenden Stadt und suchen einen Parkplatz für unser Kühchen. Die beeindruckenden Dächer der gotischen Kathedrale sehen wir nicht, da man dazu bis zur Burg emporsteigen müsste, wozu wir zu faul sind (macht auch nicht wirklich Spaß in Motorradklamotten). Aber wir durchstreifen ein wenig die Altstadtgassen und atmen das Flair des ansehnlichen Städtchens ein, nehmen einen Kaffee und zwei Süßteile in einem Café ein und bewundern innen wie außen die imposanten Markthallen, in den allerlei Trubel herrscht.
Die Weiterfahrt auf dem Motorrad führt uns auf eine kleine, feine Kurvenstraße in die Berge hinein. Wir überqueren den entsprechenden Pass auf 192müM – schon lustig wie relativ Höhen sind. Nach einer guten Stunde kommen wir an die Fährstelle bei Miravet über den Ebro. Zwei Autos warten vor uns, der Fährmann müht sich ab, die Fähre herüberzustochern gegen den aufkommenden Wind. Noch weht die grüne Fahne: Überfahrt möglich. Die beiden Autos und uns nimmt die kleine Fähre auf, doch noch vor Abfahrt setzt der Fährmann die rote Fahne: der Wind nimmt zu, keine weitere Fahrt nach der unseren mehr drin. Da haben wir mal noch Glück gehabt.
Auf der anderen Seite angekommen – nach der enormen körperlichen Anstrengung des Fährmanns – will er noch bezahlt werden („Don´t pay the ferryman until he gets you to the other side“ Chris de Burgh, 1982) und wir landen auf der anderen Seite des Ebro in Miravet. Die imposante Templerfestung überragt den kleinen Ort. Im Sonnenschein sitzend bestellen wir am Ufer des Ebro Tapas und zanken uns mit den bettelnden Katzen um die Verspeisung.
Weiter geht´s Richtung Norden nach Flix, um dann südlich des Ebro über kleine Serpentinenstraßen durch die Berge zu fahren. Der Fluss mäandert stark und wir überqueren ihn erneut bei Fayon und noch einmal bei Mequinenza mit Blick auf das die Landschaft beherrschende Kastell.
Wir fahren weiter in Richtung Norden bis zur Autobahn AP2, noch etliche Kilometer bis Zaragoza. Starker Seitenwind und niedrige Temperaturen erschweren die Fahrt. Wir frieren wie die Schneider und der höllische Lärm durch den Wind und die hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn erhöhen das Aggressionslevel des Fahrers. Ohrstöpsel und dann der Wechsel auf die Landstraße (wo die entlang der Straße aufgereihten Berge den Seitenwind dämmen) verschaffen Erleichterung.
Wir erreichen Zaragoza und das gebuchte Hotel dann zum Ende des Tageslichts gegen 17:30Uhr. Eine warme Badewannensession weckt die Lebensgeister wieder und so können wir unsere kleine Stadtbesichtigung mit dem einsetzenden Freitagabendtrubel angehen.
Zaragoza gefällt uns gut: die mächtige, wunderschöne Basilika, die Gassen voll von trubeligem Leben und ein schönes Lokal mittendrin, in dem wir guten Wein und leckere Tapas bekommen. Wir setzen den Nachtspaziergang danach noch fort und beenden dann den Abend mit einem Negroni.
Samstag, 26. November 2022
Gut ausgeschlafen begrüßt uns ein fantastischer Sonnenaufgang. Wir stromern morgens durch die Gassen und suchen uns eine urige Bar zum Frühstücken. Bei einem kleinen Morgenrundgang, sogar mit Besuch des Innenraums der Basilika, rundet sich das positive Bild auf die Stadt ab.
Wir verlassen Zaragoza auf der Landstraße südlich des Ebro. Unsere erste Pause machen wir 74km südöstlich von Zaragoza bei der ehemaligen Zisterzensierabtei Kloster Rueda am linken Ufer des Ebro. Ein beeindruckender, zur Stille einladender Klosterinnenhof ist zu besichtigen.
Unsere Fahrt geht dann weiter bis Caspe, einem Provinzhauptstädtchen in Aragonien. Dort pausieren wir im warmen Sonnenschein auf dem Plaza Mayor bei teuer bezahlten süßen Crepes.https://homepagedesigner.telekom.de/.cm4all/uproc.php/0/SpanienHerbst%202022/.DSCF5156d2.jpg/picture-400?_=1859cc48920
Langsam, mit dem Fahren gen Süden, steigen auch wieder die Temperaturen. Anders als wir es uns vorgestellt hatten, kann man gar nicht dicht am Ufer des Ebro entlangfahren. Er mäandert so stark, dass teilweise gar nichts von ihm zu sehen ist. Außerdem unterstützt sein Wasser wohl auch die hiesige Landwirtschaft. Jedenfalls gibt es derer viel: weite Ebenen mit Feldern und Weinstöcken. Wir begegnen kaum anderen Fahrzeugen, haben, wie schon so oft, die Straße ganz für uns alleine und cruisen wundervollst durch die Kurven.
Kurz vor dem Hinweisschild zum Örtchen Bot biegen wir von der Hauptstraße ab und freuen uns über das „Begrüßungsmal“ am Kreisverkehr am Ortseingang (Bot= Bottich/Fass = Böttcher).
Dann geht es über eine 1,5spurige Straße über den Gebirgszug Serres de Pandols Cavales 10km in Richtung Tortosa. Engste Kurven zwingen zum langsamen Fahren – immer auf der Hut vor plötzlichem Gegenverkehr. Aber es kommt keiner. Wir schrauben uns bis auf 459müM hinauf und dann wieder hinunter.
Zurück auf breiteren Straßen streben wir zügig über Tortosa unserem Campingplatz entgegen, den wir gegen späten Nachmittag erreichen.
Fazit zu der zweitägigen Spritztour: es war eine gute Idee, diese Tour entlang des Ebro zu machen und Zaragoza kennenzulernen. Eng am Ufer des Ebros entlangzufahren, glückt nicht durchgängig, aber die sich aufblätternde Landschaft hat Auge und Gemüt erfreut.
Abend sind wir dann froh, im Innenraum des Platzrestaurants zu speisen, noch sitzt uns die Kälte in den Knochen. Wir gehen früh schlafen.
Sonntag, 27. November 2022
Die vielen spanischen Familien, die in unserer Abwesenheit auf dem Campingplatz übers Wochenende eingefallen sind, packen ihre Plünnen zusammen und entschwinden im Lauf des Vormittags. Wir lassen uns Zeit, weil die Temperaturen morgens noch nicht so aus den Hufen kommen wollen.
Gegen 11Uhr fahren wir dann auf eine erneute E-Biketour ins Ebrodelta. Diesmal mit der festen Absicht, uns Zeit zu lassen, die Vogelschwärme – auf den abgeernteten Reisfeldern futternd oder auffliegend, wenn wir vorbeifahren – abzulichten. Aber – oh Schreck – sie sind weg! Zumindest weitgehend. Da hatten wir wohl großes Glück vor vier Tagen noch ganze Massen an Reihern, Kranichen, Flamingos und anderen Watvögeln sehen zu können. Jetzt scheint es so, als hätten sich die fliegenden Kumpane doch noch auf eine Reise weiter in den Süden begeben.
Ein paar Graureiher und der eine oder andere Star sind noch da und sie beäugen uns misstrauisch. Wir setzen unsere Radtour im Ebrodelta fort und gelangen wieder über Deltebre in Richtung der nördlichen Flussmündung. Dort ist touristisches Halligalli, ganze Busladungen werden dort ausgespuckt. In Riumar begucken wir, die Räder durch den Tiefsand im Walkmodus führend, den weitläufigen Strand und nehmen anschließend einen Kaffee und Kroketten in einer Bar. Dann geht es heimwärts auf Asphalt- und Schotterstraßen und wir kommen mit 54km aufm Tacho am Nachmittag wieder auf dem Campingplatz an.
Montag, 28. November 2022
Gestern Abend haben wir noch die Wettervoraussage aufgerufen und daraufhin beschlossen, das Aufstelldach einzufahren und unsere Liegestatt in der Schuhschachtel einzurichten. Über Nacht kam der tosende Wind auf, der auch über den ganzen Tag – mehr oder weniger stark – anhielt.
Das ließ uns erstmal den Vormittag im Bus verbringen bei Lesen, Dösen und Stöbern.
Mittags haben wir uns dann bei leicht sichtbaren Sonnenfetzen herausgewagt und sind bemützt und ausgestattet mit warmen Jacken entlang der Uferpromenade zum Supermarkt gelaufen und haben Nachschub eingekauft.
Bis wir zurück waren, hatte der Wind ein wenig Pause eingelegt und wir hatten Gelegenheit, unsere Begleitfahrzeuge in den Anhänger zu bringen und festzugurten. Ein letztes Menu de Dia in dem Platzrestaurant (wieder vorzüglich) und später ein gemütlicher Abend bei katalanischem Wein (=Vi negre statt Vino tinto) im Bus. Morgen ziehen wir weiter gen Süden.
Dienstag, 29. November 2022
Wir fahren früh los von L´Ampolla, tanken noch und tuckern dann 620km gen Süden, nach Andalusien. Auf der Fahrt hören wir Precht und Welzer zu, die uns ihr Buch „Die vierte Gewalt“ vorlesen und diskutieren miteinander zu den aufgeworfenen Thesen. Ein unsägliches Mittagessen auf die Hand bei einem Truckstopp verschlimmert die Magensituation eher, als dass es den Hunger befriedigend stillt.
Am Abend kommen wir dann an dem uns lang bekannten Campingplatz in Las Negras an, der jetzt neue Besitzer hat, umgestaltet ist und anders heißt. Wir fremdeln eher als ein heimatliches Wiedererkennungsgefühl zu entwickeln. Ein kleiner Walk über den Hügel hinein nach Las Negras verschafft wenigstens dem müden Sitzfleisch ein wenig Abwechslung.
Mittwoch, 30. November 2022
Am Morgen stellen wir fest, dass der ausgewählte Stellplatz der allerschattigste ist. Während alle anderen schon in der Sonne frühstücken können, liegt unser Platz noch bis nach 10Uhr im Schatten. Also packen wir kurzerhand den Hänger, schuckeln ihn hin und her und schieben ihn auf einen sonnigeren Platz. Der Bus kommt mit halbgeöffnetem Aufstelldach hinterher gelaufen.
Als diese Aktion erledigt ist, holen wir die Räder aus dem Hänger und machen uns auf zu einer Rundtour durch das Hinterland. Diese Tour über holperigste Straßen sind wir beim letzten Mal als wir in Las Negras waren auch schon gefahren.
Wir besuchen die alte Filmkulissenkirche – wie jedes Mal, wenn wir hier sind – und fahren dann weiter über die Schotterstraßen des Minengebiets. In Rodalquilar finden wir dann auch ein offenes Restaurant und essen gut und reichhaltig zu Mittag. Ein kleiner Abstecher zum Castillo am Stand El Playazo rundet den Radtag ab, bevor wir wieder zurück zum Campingplatz fahren.
Ein Stündchen können wir noch draußen in der Sonne sitzen und schmökern.
Ein fulminanter Sonnenuntergang beendet das Tageslicht und eröffnet die Bühne für die nächste Sternenfunkelnacht.
Donnerstag, 1. Dezember 2022
Die Nacht war kühl und auch am Morgen versteckt sich die Sonne noch. Aber es ist warm genug, draußen zu frühstücken. Wir nutzen den Vormittag, um mal eine Waschmaschine voll zu waschen und die frisch gewaschene Kleidung aufzuhängen.
Mittags holen wir unsere Gummikuh aus dem Hänger und machen eine drei Stundenfahrt in Richtung Cabo di Gata. Wir besuchen wieder einmal den Leuchtturm dort, erkennen aber auf der Fahrt kaum die Plätze wieder, die wir vor mehr als zehn Jahren als attraktiv empfunden haben. Hat sich das so verändert oder ist es unsere Wahrnehmung? Das werden wir in diesem Leben wohl nicht mehr ergründen können. Jetzt im Dezember sind die meisten Häuser, Ferienwohnungen und Lokale zu. Das verleiht dem ganzen Ort etwas Geisterhaftes.
Die 17°C lassen uns nicht frieren, auch wenn es kaum Sonne gibt und der Nationalpark Cabo di Gata beeindruckt wie immer mit seiner landschaftlichen Schönheit: grüne, sanfte Hügel, rote Erde und weite Blicke.
Am frühen Nachmittag sind wir zurück und aalen uns noch eine Stunde in der Sonne vor unserem Bus. Wir freuen uns, dass die Wettervorhersage (Regen über den ganzen Tag) nicht recht hatte.
Am Abend laufen wir hinein nach Las Negras, gut eingepackt, da am Abend doch die Temperaturen angezogen haben. Wir besuchen die Pizzeria, die wir schon vor Jahren kennengelernt haben, eines der einzigen beiden heute offenen Lokal in dem Örtchen. Die von uns damals so getaufte, nette „Mickey Mouse“-Pächterin (wegen der kleinen Körpergröße und vor allem wegen der Stimme) ist nicht mehr dort präsent, aber zwei junge Männer, die die Pizzeria jetzt managen, bitten uns herein und wir nehmen als die einzigen Gäste gerne Platz. Die genossene Pizza ist wieder sehr lecker.
Leider hat es angefangen zu regnen, und zwar nicht zu wenig. Wir haben keinen Schirm o.ä. mitgenommen. Bis wir letztendlich nach einer knappen halben Stunde am Campingplatz ankommen, sind wir bis auf die Unterhose nass und verstauen all die nasse Kleidung in einer großen Plastiktüte und werfen diese in den Anhänger.
Mit dem Heizlüfter im Bus und neuer, trockener Kleidung plus mit dem Handtuch abgerubbelten Haaren regenerieren wir aber auch bald wieder. Der Regen trommelt die ganze Nacht aufs Aufstelldach – aber nicht durch die Stoffwände.
Freitag, 2. Dezember 2022
Am Morgen windet es noch, aber der Regen hat sich erstmal verzogen. Wir holen die vollgeregneten Klamotten von gestern Abend aus dem Hänger und drapieren sie über die Wäscheleine. Heute, morgen und übermorgen soll nun auch endlich mal das Campingrestaurant offen haben. Also tapern wir erstmal dorthin, um ein Frühstück dort einzunehmen. Wir waren schon recht gespannt, ob und wie sich das Lokal, das wir 2012 ja so sehr geschätzt haben, verändert hat. Der Bollerofen in der Ecke ist weg, auch sind die Fensterrahmen in einer anderen Farbe gestrichen und die Theke kommt moderner daher. Aber ganz hinten, wenn man in den Wirtschaftsbereich hineinlugt, sind auch noch die helllila gestrichenen Rahmen von damals zu sehen…. ja, und das kleine Frühstück war okay.
Der Wetterbericht sagt wieder Regen – ab mittags – voraus. Und kühl, ca. 13°C, ist es auch heute. Wir wollen nicht riskieren, dass die gerade trocknende Wäsche wieder vollregnet, also machen wir uns auf einen nur kleinen Strandspaziergang auf. Das Meer tobt und die Wellen sprühen Gischtnebel. Die eine oder andere Welle versucht gar keck, unsere Schuhe zu erwischen.
Wir nehmen den Wanderweg hinauf auf die Felsen, wobei uns der Weg entlang der Klippen denn doch zu glibschig und zu schmal vorkommt. Wir wählen den mehr im „Inneren“ liegenden Weg, den Sendero de la Molata, und klettern hinauf bis zum Aussichtspunkt, an dem das Castillo de San Ramon zu sehen ist (also genau der alte Palazzo, den wir auf unserer Radtour vor zwei Tagen von der anderen Seite her besucht haben).
Castillo de San Ramon
Als wir wieder zurück bis zum Campingplatz geklettert und gestoppelt sind, haben wir unser Tagesmarschpensum bereits erfüllt.
Wir gucken den Klamotten beim Trocken zu und lesen noch ein Weilchen. Dann gehen wir wieder zum Campingrestaurant am späteren Nachmittag und speisen dort ziemlich gut. Den Abend verbringen wir einen Film guckend im Bus.
Samstag, 3. Dezember 2022
Heute traut sich die Sonne wieder auf die Bühne und wir klettern auf die BMW und düsen über Fernan Perez nach Norden und fahren die Küste ab. Erst kommen wir über Agua Amara (wo aber kaum was los ist), besuchen dann den Mirador an der Playa de los Muertos, wo wir ein paar andere deutsche Motorradfahrer treffen und kurz schwatzen.
Dann geht es weiter bis zum Badeort Carboneras, wo Arbeiter den zentralen Platz mit Weihnachtsbeleuchtung schmücken und wir einen (eher schlechten) Kaffee trinken. Unsere Tour führt uns dann weiter nördlich die Küste hinauf bis nach Mojácar Playa, wo auch jetzt im Dezember durchaus der Touri-Bär steppt. Wir erwägen noch, ob wir in das, wie ein Schwalbennest am Berg klebende, alte Mojácar fahren sollen – und lassen es dann aber bleiben (was sich nachträglich als Fehler herausstellt, da dieses Städtchen eine wahre Andalusienperle sein soll).
Wir hingegen schlagen nun den Weg gen Südwesten ein, um so langsam den Rückweg anzutreten. Wir kommen wieder – ungeplant – in die luxuriöse Feriensiedlung, die wie eine Ansammlung orientalischer Bauwerke anmutet und wieder (wie schon 2012) wird es schwierig, den richtigen Weg durch diesen Dschungel von gewundenen Straßen zu finden.
Zuerst fahren wir engste Kurvenstraßen hinauf in die Berge und bei 570müM haben wir zwar einen wunderbaren Blick ins Land, aber auch nur noch ungemütliche 14°C. Außerdem ist irgendwie die Richtung falsch. Weit unten sehen wir „unsere“ Straße, die sich nach Westen schlängelt, doch wie kommt man da hin?
Nach vorsichtigem Herabcruisen durch die engen Kurven und beharrlichem Ins-Visier-nehmen der gesuchten Straße, haben wir sie dann endlich gefunden und brausen Meter um Meter auf der BMW wärmeren Temperaturen und dem heimatlichen Campingplatz durch die Berge entgegen.
Nach 135 Tageskilometern sind wir nach gut viereinhalb Stunden wieder zurück. Wir ziehen uns fix um und sausen dann noch zur letzten „Mittagszeit“, also gegen 16Uhr, zum Mahle ins Restaurant.
Der Abend steht dann fürs Schmökern, Schreiben und Duschen zur Verfügung.
Sonntag, 4. Dezember 2022
Hier in Andalusien kommt der 2. Advent als Sommertag daher. In der Nacht hat es ein klein wenig geregnet, aber davon sind morgens nur mehr die Resttropfen an den Scheiben und auf der draußen stehenden BMW sichtbar. Die morgendliche Sonne trocknet alles weg und wir gehen zum Frühstücken. Eine Geburtstagsgratulation per WhatsApp an eine Freundin wird geschickt und wir sehen eine ganz bunt gekleidete Truppe von Crossläufern, die über den Hügel von Las Negras kommend, sich über die Steine bergauf Richtung unseres Wanderweges von vorgestern quälen. Wir packen sukzessive unsere Fahrzeuge in den Hänger, nehmen die Wäscheleine ab und rollen das Elektrokabel ein und fahren das Aufstelldach runter. Wir verlassen den Campingplatz in Las Negras und siedeln um nach Los Escullos – nur gute 20 Kilometer entfernt. Dort alles wieder ausgepackt und dann ab in die Sonne bei 21,5°C, also bestem Adventswetter.
Um 16Uhr gehen wir noch eine Runde spazieren in Richtung Strand … wobei sowohl die Straße dorthin als auch der Strand selbst sehr sich selbst überlassen wirken – um es freundlich, neutral zu sagen. Wir laufen bis zur Bateria artillera de San Felipe, einer verfallenen, leerstehenden Wehranlage aus dem 18. Jahrhundert, direkt am Meer gelegen und kehren dann wieder zurück zum Campingplatz.
Montag, 5. Dezember 2022
Man merkt gleich morgens, dass wir uns auf einem größeren und gut gefüllten Campingplatz befinden. Denn der heutige Weckruf erfolgt bereits vor 9Uhr durch den äußerst informativen Schwatz zweier deutschsprechender Campinggäste, die sich direkt vor unserem Bus darüber austauschen, dass der Mann der einen Person nur die Leberwurst (die mit Pfeffer!) von Lidl isst und die gilt es heute zu besorgen.
Wir nehmen die Zeichen der Zeit wahr und bewegen uns dann auch aus dem Schlafsack, um den Tag zu beginnen. Wir packen unsere Bikes aus und satteln diese. Bei teilweise gut mächtigem Wind strampeln wir über San José den Stränden Genoveses, Monsul und Media Luna entgegen. Obwohl der hauseigene Personal Trainer und Wegefinder dem Wunsch der mitfahrenden Dame entsprochen hat und einen echten Offroadweg, der direkt hinter dem Campingplatz losgeht, gewählt hat, ist das Geschrei groß. Der Offroadweg ist voll von großen Steinbrocken und es fühlt sich an wie einst um den Lac Mont Cenis (Insiderhinweis: siehe Wehgeschrei derselben Dame von 2009/Piemont).
Also verlassen wir den Schotter-Gleisbetthaufen und suchen unser Heil wieder auf der normalen Straße und dem anschließenden geschotterten Radweg.
Entlang der o.g. Strände führt die uns wohl bekannte Schotter-Wellblechstraße. An deren Ende, nach ca. 10km, fährt man dann hinauf – wieder über Holperigkeitssteine – bis zum rückwärtigen Ausblick auf den Leuchtturm von Cabo di Gata. Dort oben windet es irre mächtig, so dass sogar die pausierenden Bikes umfallen.
Ohne das Zureden und Vorfahren des Personal Trainers hätte sich die mitfahrende Lady niemals never wieder hinunter auf den Rückweg (stolpern, stürzen, verletzen, vom Winde die Böschung hinunter geweht werden etc.) getraut. Die Alternativroute, 40km auf Asphalt durchs Landesinnere, ist eben auch nicht wirklich akzeptabel.
Nu denn, es geht teils fahrend, rollend, mit abgesenktem Sattel, teils schiebend wieder hinab und zurück. Wunderbare Ausblicke aufs Meer und die Buchten belohnen den aufgebrachten Mut.
Dann geht es auch wieder zurück auf der Waschbrettpiste – mit ein paar Abstechern zu den Stränden.
Der kräftige Wind bläst Sand in die Augen und fordert den Turbo- Unterstützungsmodus.
In San José wird das tapfere Paar dann mit Softdrink, Cortado und drei kleinen Tapas belohnt.
Die restlichen knapp 10km bis zum Campingplatz können dann sogar noch teilweise auf einem „anständigeren“ Offroadweg bewältigt werden.
Puh, nach gut 40km kommen wir durchgeblasen und gut geschafft wieder am heimatlichen Bus an. Wir haben ein endloses Auf und ab absolviert und das oft auf schlechter Wegstrecke. Für uns unvorstellbar, wie wir das ohne das E, das unseren Bikes voransteht, hätten meistern sollen (im nächsten Leben vielleicht).
Bis zum Essen-Fassen am Abend lümmeln und lesen wir noch eine Weile im Bus herum.
In drei Tagen ist wieder Vollmond und heute Nacht rasen die Wolken am hohen Himmel über den zunehmenden Gesellen dort oben. Wir können noch lange draußen sitzen vor dem Bus und das Himmelsspektakel beobachten.
Dienstag, 6. Dezember 2022
Nikolaustag bei uns daheim mit bestimmt viel Freude bei den Enkelkindern. Zu 28 Jahre „Meyrs in Berlin“ kommt gleich morgens ein Gruß und Glückwunsch. Klara hat heute ihren wichtigen Tag: Examen, und Niklas müsste seinen Rückflug aus Indien angetreten haben.
Und wir machen heute wieder eine Moppedtour. Es geht bei schönstem Wetter – die Spanier haben Feiertag (Tag der Verfassung) – erstmal zur Tanke: Benzin nachfassen und den immer wieder schwindenden Reifendruck neu justieren.
Dann geht es hinauf auf die Kurvenstraße, die eine Sackgasse wird, entlang der Sierra Alhamilla bis zu dem alten Kurort Los Baños. Wir sehen schon beim Hinauffahren eine interessante Ebene mit etlichen Palmen. Das wollen wir erkunden beim Abwärtsgleiten. Eine teils schlammige Schotterzufahrtsstraße führt uns dorthin hinab. Kleine leuchtendgelbe Schilder verraten schon, was hier los ist, sie weisen zu „Set 1“, „Set 2“ und „Set 3“. Arbeiter sind am Werk und bereiten die Kulissen für einen Film vor. Martin fährt das zukünftige Filmgelände ab, hüpft mit der BMW über große Erdstufen, bis einer kommt und uns freundlich, aber bestimmt, des Geländes verweist. Um welchen zukünftigen Film es sich handelt, war nicht herauszubekommen.
Unsere Wegstrecke führt nun durchs Hinterland. Der mächtige Osborne-Stier beobachtet, auf einem Hügel stehend, wohin die beiden Deutschen fahren.
Wir landen bei bestem Sommerwetter in Tabernas, wo wir bei Café con Leche und Bocadillo pausieren.
Dann geht es zur „Rennstrecke“ in der Nähe von Tabernas. Wir können ganz problemlos auf das Gelände fahren und wollen uns gerade ein wenig umschauen. Aber daraus wird nichts: auf einem Elektroroller angefahren kommt ein junger Mann und weist das Gelände als „privado“ aus und uns von selbigem. Wäre auch nicht viel was zu sehen gewesen, da an diesem Feiertag niemand dort die schnellen Runden dreht.
Unseren Heimweg treten wir über die kleinen Kurvenstraßen über Lucainena an, eine Strecke, die wir damals in 2012 oft gefahren sind.
Bei Campohermoso suchen wir erneut eine Tanke auf, um den Reifendruck wieder nachzufüllen.
Wir sind so früh zurück auf dem Campingplatz am Nachmittag, dass wir noch ordentlich was von der Sonne abkriegen. Nach dem Restaurantbesuch am Abend fühlen wir uns so unangenehm voll, dass wir schon hadern, ob das wohl eine geruhsame Nacht werden wird.
Mittwoch, 7. Dezember 2022
Es ging dann so einigermaßen mit der Nacht, doch am Morgen gelüstet es noch keinen von uns nach einem Frühstück. Tee und Kaffee reichen.
Es scheint wieder ein sonniger und warmer Tag zu werden. Wir nehmen die E-Bikes und haben eine Tour auserkoren, die eigentlich kilometermäßig nicht so lang ist, die es aber in sich hat, wie sich herausstellen wird.
Zunächst geht es über die Holter-di-Polter-Strecke bis zum Strand von Los Escullos. Von dort queren wir die Hauptstraße, um dann auf weiterem Holter-di-Polter bergauf zu fahren. Das geht erst mal so einigermaßen. Wir kommen am recht ansehnlichen Hostal rural Cortijo El Paradiso vorbei.
Ab da beginnt das Grauen. Wir müssen einen Teil des Weges zurück, um die Straße hinauf auf den Berg zu finden. Es wird brutal steil, zunächst auf Schotter, kleinster Gang und größte Unterstützung und die Beinchen haben trotzdem mächtig zu tun. Sie strampeln auf Teufel komm raus und die Bikes hüpfen über das unebene Gelände und die querliegenden Steine. Die Lunge keucht und als der Untergrund asphaltiert wird weiter oben, glaubt man schon, das Schlimmste überstanden zu haben. Doch welcher Irrtum.
Das Problem ist, dass man, wenn man pausiert, weil man halt nicht mehr kann, bei der Steilheit des Weges kaum mehr wieder anfahren kann. Mit Ach und Krach und viel Schnauferei kommen wir denn nach einer guten Stunde doch oben auf dem Berg bei dem Sendemast an. Der Blick rundherum in die Landschaft ist fantastisch.
Nun ist aber Schluss mit einem fahrbaren Weg. Das wussten wir durchaus auch schon vorher, nur haben wir es einfacher eingeschätzt, den Singletrail/Wanderweg mit dem schiebenden Rad bewältigen zu können.
Der Weg ist ca. 30cm breit, er führt bergab und er wird von Meter zu Meter steiniger, zerklüfteter und steiler. Eine Hand am Lenker, eine Hand am Sattel, der Zeigefinger immer an der Hinterradbremse. Es ist mühsam. Rundherum duftet es nach würzigen Kräutern und nach Salbei. Wir sind völlig alleine auf diesem Weg und es wird klar, schon nach wenigen Metern, dass es kein Zurück gibt.
So arbeiten wir uns voran, Schritt für Schritt und wissen, es sind ca. 4km, die wir so bewältigen müssen. Teilweise führt der Weg so steil abwärts und hat so große Steinstufen und loses Geröll, dass es für Daniela nur möglich ist, sich da selbst irgendwie hangelnd an Steinen und Sträuchern festhaltend, herunterzukommen, aber unmöglich auch noch das Rad heil hier runterzubringen. Und so muss Martin die eine und die andere Strecke doppelt meistern: erst sein Rad abwärts bugsieren, dann wieder hinauflaufen und Danielas Rad holen und ebenfalls runterbringen.
Bei einigen Passagen gelingt die Querung nur, indem wir beide erst das eine Rad halten, Tritt suchen und dann peu á peu das Rad hinablassen. Dasselbe dann mit dem zweiten Rad.
Wie gesagt, die umgebende Landschaft ist wunderschön, üppige Pflanzen, ergreifende Düfte. Aber wenn wir gewusst hätten, was uns hier erwartet und dass es kein Zurück gibt, dann hätten wir das sicherlich – zumindest mit den Rädern - nicht gemacht.
Nach gut zweieinhalb Stunden haben wir es dann geschafft und haben den Sendero Requena, so heißt dieser Wanderweg, gemeistert. Er spuckt uns bei dem Minengebiet wieder aus und wir können nun die restliche Strecke auch wieder fahren.
Reichlich k.o. kommen wir nach insgesamt 4,5 Stunden, um 15:30Uhr, einen Ort vor Los Escullos, in La Isleta del Moro, an und belohnen uns, in der Sonne sitzend in einem Café am Meer, mit Cortado und Negroni.
Der Rest des Tages ist schnell erzählt: zurück auf dem Campingplatz, Räder verstaut, kurzes Sonnentanken, dann duschen und ein nicht so üppiges, eigenes Abendessen im Bus. Dann: Umkippen.
Donnerstag, 8. Dezember 2022
Wunderbares Wetter lädt wieder zur Motorradrundreise ein. Viel was vor 11Uhr kommen wir eigentlich nie los. Heute haben wir uns den alten Teil von Mojcar vorgenommen. Über die Autobahn A7 brausen wir nach Norden. Erster Stopp im Sorbas, einem als „typisch“ beschriebenen Bergdörfchen. Aus der Ferne ist es netter anzusehen als aus der Nähe – wie so oft.
Schwierig wird danach die Wegefindung: wir verpassen wiederholt die richtige Straße und müssen daher den gleichen Streckenabschnitt der A7 dreimal hintereinander fahren. Dann endlich fahren wir über eine kleinste, zerklüftete Straße andersherum und gelangen dorthin, wo wir hin wollten.
Mojcar Pueblo ist ein am Berg klebende Schwalbennest und durchaus einen Bummel wert. Die maurischen Ursprünge des heute eher touristischen Ortes sind noch gut erkennbar. Geparkt wird unten auf dem öffentlichen Parkplatz und dann fahren wir mit dem Fahrstuhl in die Altstadt hinauf. Oben merkt Martin, dass er seinen Fotoapparat auf dem Motorrad vergessen hat und er flitzt erneut hinunter zum Parkplatz und ist schon in weniger als zehn Minuten zurück.
Ein kleiner Walk durch die Gässchen kurz vor der Siestapause, ein Eis auf die Hand und schon geht es wieder weiter über Carboneras gen Heimat.
Ein fieser oder blöder oder müder PKW-Fahrer mit zwei Kajaks aufm Dach behindert uns sehr beim Überholvorgang, dass nur Martins cold-blooded-Temperament und seine Fahrpraxis Schlimmeres verhindern.
Am Abend tobt das wöchentliche Special-Price-Fish & Chips-Event im Platzrestaurant: jeder Tisch ist reserviert und der Backfisch fliegt förmlich auf den Tablets der Kellner durch den Raum – und schmeckt.
In der Nacht kommt starker Wind auf, so dass wir gegen 3Uhr beschließen, dass Aufstelldach einzufahren und als Schlafplatz in die Schuhschachtel zu wechseln.
Freitag, 9. Dezember 2022
Am Morgen ist zum Wind noch heftiger Regen hinzugekommen, so dass unser Plan, heute den Bus für den Ausflug in die Sierra de Los Filabres zu nutzen, sinnvoll erscheint.
Wir verlassen unseren Campingplatz bei 19°C und düsen knapp 100km nach Nordwesten, um in das völlig unbevölkerte Gebiet der Sierra de Los Filabres einzusteigen. An Tabernas geht es vorbei, Richtung Guadix und bei Gergal in die Sierra hinein. Die Temperaturen sinken mit jeder Kurve, die wir uns hinaufschrauben. Wir sind wieder einmal ganz alleine auf der Straße unterwegs. Oben auf dem höchsten Punkt, dem Calor Alto, liegt das von deutschen und spanischen Wissenschaftlern gemeinsam betriebene Obervatorio de Calar Alto im Nebel in den Wolken. Wir befinden uns auf 2100müM.
Zurück geht es dann auf der Straße nach Seron. Zwischendurch werfen wir noch einen Blick auf den (jetzt einsamen) Campingplatz Las Menas. Die kleine Stadt Seron ist schön anzuschauen, aber beim Hineinfahren entdecken wir keine Kaffeebar. Also geht es weiter bis Olula del Rio. Dort bekommen wir dann bei regnerischem Wetter den bisher besten Kaffee der Reise. Dann streben wir heimwärts in einer Ostrunde über Campohermoso und kaufen dort bei den Discountern ein.
Der Abend beschert noch viel Regen, so dass man es kaum schafft, trocken bis zum Platzrestaurant zu gelangen. Kleine, viel bestaunte Kuriosität: ein Schaf hat sich vor dem Regen in der Männertoilette in Sicherheit gebracht und verharrt dort, stoisch in eine Ecke guckend, bis zum nächsten Morgen.
Samstag, 10. Dezember 2022
Am Morgen sind das Schaf und der Regen weg. Die Sonne lacht wieder breit über´s ganze Gesicht.
Wir verladen schon mal das Motorrad und machen uns dann auf, auf eine Biketour am Strand von Los Escullos entlang. Zum Abschluss fahren wir noch einmal nach La Isleta auf einen Negroni.
Abends tobt der Bär im Platzrestaurant: Eine Alleinunterhalterin singt Hits und alles über 60 grölt und tanzt mit. Man kann sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Die Stimmung ist absurd bis bombig. Da entdecken die/wir alten Leute auf einmal wieder ihre Jugend und die Gesichter leuchten. Man sollte sich mal überlegen, ob man in den Altenheimen statt „Ein schöner´ Land“ besser die Hits von Abba, CCR und Queen gemeinsam singen sollte.
Sonntag, 11. Dezember 2022
Andalusien weint als wir abfahren am Morgen. Wunderschöne Regenbögen begleiten uns auf dem Weg gen Norden. Bei einer der ersten Halte am Vormittag als Martin in den Anhänger guckt und checkt, ob die Gurte alle noch straff sind, vergisst er das Schlüsselbund drin im Hänger – was wir natürlich erst merken, als alle Schlösser wieder zu sind.
Fieberhaft überlegen wir, was wir tun können. Der Vorschlag, zu gucken, ob am Stadtrand des noch ca. 60km entfernten Murcia ein Einkaufszentrum jetzt am Sonntagvormittag offen haben könnte, scheint der erfolgversprechendste zu sein. Also düsen wir mit Navi geleitet dorthin. Zunächst Irrläufer: in die Stadt hinein, enge Altstadtgassen, nichts zu parken. Dann finden wir das örtliche schwedische Möbelhaus und auf demselben Gelände den Caravanstellplatz der Stadt und einen Supermarkt. Aber auch dort gibt es keine Schlösser oder Bolzenschneider im Angebot.
Andere Camper wollen helfen und bringen ihre Sägen. Doch Martins Schweizer Markentool scheint besser geeignet. Das erste Schloss hat er nach zähem Sägen nach zehn Minuten durch. Ein niederländischer Camper gibt den Tipp, im nahen Asiamarkt nach Schlössern zu gucken („Die haben alles“). Martin kommt nach ein paar Minuten dort raus mit zwei neuen kleinen Schlössern. Nun gilt es das zweite Schloss aufzusägen. Als auch dieses nach hartnäckigem Dranbleiben seinen Willen aufgibt, zu zubleiben, ist das Werk geschafft.
Wir holen den liegengelassenen Schlüssel aus dem Hänger und versperren ihn danach mit den beiden neuen Asiaschlössern.
Und weiter geht die Fahrt. Noch knapp 200km bis zum heutigen Tagesziel. Wir erreichen Oliva und den Campingplatz Kikopark am frühen Abend. Kleiner Schreckmoment als wir gefragt werden, ob wir eine Reservierung haben. Aber letztlich kein Problem, wir bekommen einen riesig großen Platz zugewiesen. Der Campingplatz liegt direkt am Meer, er ist sauber und auch die Sanitärhäuser sind okay. Aber er ist über und über vollgestellt mit monströsen Womos und die angeschlossene Pizzeria verspricht keine Gourmeterlebnisse. Als Ausgangspunkt für einen Valenciabesuch ist´s okay, auch könnte man sich vorstellen, das Hinterland noch ein wenig mit den Rädern erkunden zu können (lohnenswert?), aber wir beschließen, nicht bleiben zu wollen.
Montag, 12. Dezember 2022
Heute haben wir uns Valencia vorgenommen. Wir lassen den Hänger aufm Campingplatz stehen und düsen mit dem Bus nach Valencia, der drittgrößten Stadt Spaniens. Wir waren schon öfter in Valencia und sind immer wieder begeistert von der großartigen Architektur: zum Beispiel dem prächtigen Jugendstilbahnhof, der direkt daneben liegenden Stierkampfarena, den sowohl von außen als auch von innen – ob des überbordenden Angebots an frischen, regionalen Produkten – schönen Markthallen, den verwinkelten Gassen, den großen weitläufigen Plätzen, den Cafés und der Quirligkeit der ganzen Stadt.
Wir sind viel herumgelaufen in Valencia und am Abend dann wieder zurück zum Campingplatz nach Oliva und sitzen noch lange bei 20°C vor dem Bus draußen.
Dienstag, 13. Dezember 2022
Wir bedauern zwar, die 20 und mehr °C zu verlassen, aber wir wechseln heute nach Alcossebre. Auf der Autobahn geht es 210km gen Norden. Zwischendurch legen wir einen Halt ein und schauen uns kurz einem als „Öko-Campingplatz unter deutscher Führung“ angekündigten Campingplatz bei Sagunt an, als eventuelle Möglichkeit für einen zukünftigen Aufenthalt.
Auf dem Campingplatz Playa Tropicana in Alcossebre kommen wir bereits um 14Uhr an. Es ist paar Grad kühler und leider regnerisch.
Da das Platzrestaurant dienstags zu hat, laufen wir im leichten Nieselregen am Meer entlang zu einer kleinen Draußenfutterbude, die von drei unterschiedlichen Katzen bewacht wird: einem monströs großen Kater mit himmelblauen Augen, einer Dreifarben-Katzenlady und einer mickrigen, schwarzen Jungkatze. Die drei maunzen und lauern, aber sie bekommen die Fischhaut und die Kotelettknochen von dem Wirtspaar erst nachdem wir gegessen und bezahlt haben und gegangen sind.
Den Rest des Nachmittags und des Abends verbringen wir wegen des immer wieder aufkommenden Regens weitgehend im Bus und lesen, schreiben, rechnen und erzählen uns Schwänke aus unserem Leben.
Mittwoch, 14. Dezember 2022
Die aufgehängten Handtücher sind über Nacht vom Regen „natürlich“ gewaschen worden und am Morgen noch tropfnass. Da morgens die Sonne lacht und kein weiterer Regen über den Tag angesagt ist, lassen wir sie hängen derweil wir uns auf eine Radrunde begeben.
Ziel ist das Castillo de Xivert, das auf den Mauern einer maurischen Festung, im 12. Jahrhundert von Templern übernommen und ausgebaut wurde. Wir verlassen Alcossebre über lehmige, noch mit großen Pfützen versetzte, Wirtschaftswege und tauchen bald in die Vorläufer der Serra d´Irta, einem zerklüfteten Nationalpark mit 16km langer Küste sowie Bergen, Buchten und Burgen – also das perfekte Wander- und MTB-Gelände.
Zunächst geht es auf kleinen Asphalt- und Schotterwegen durch ein ausgedehntes Gebiet von intensiver Landwirtschaft: Orangen- und Mandarinenbaumhaine, an denen die Äste üppig voll mit den orangen Früchten sind. Mandelbaumplantagen, an den jetzt laublosen Bäumen hängen noch vereinzelt schwarze Nussschalen. In zwei Monaten werden diese Bäume mit rosaroten Blüten prahlen. Dann ausgedehnte Felder mit Artischockenpflanzen und große Bereiche mit roten Paprikafrüchten.
Der Weg führt stetig bergauf und als wir die landwirtschaftlichen Gefilde hinter uns gelassen haben, tauchen wir ein in die Kurvenschotterstraße des Nationalparks, die uns zum o.g. Castillo führt. Manchen Abkürzungsweg, der auf dem Navi sichtbar wird, probieren wir zwar ein paar hundert Meter aus auf Tauglichkeit für unser beider Fahrkönnen, verwerfen ihn dann aber doch und folgen der für uns machbaren „Haupt“schotterstraße, die in großen Bögen immer um den Berg herum- und hinaufführt.
Nach der Außenbesichtigung der Burganlage und einer kurzen Pause fahren wir dann mehr oder weniger direkt die steile asphaltierte, reguläre Straße wieder hinab: die Bremsen der Räder werden ordentlich warm.
Am Nachmittag sind wir mit 37 Tageskilometern auf dem Tacho wieder zurück auf dem Campingplatz, verstauen die Räder im Anhänger und genehmigen uns das Menu de dia im heute offenen Platzrestaurant.
Am Abend fangen wir dann auch an, unsere bevorstehende Heimfahrtstrecke zu planen. Wie bewältigen wir am besten die gut 2000km von den hiesigen warmen Temperaturen (19°C) zurück in den deutschen Winter (-8°C)?
Donnerstag, 15. Dezember 2022
Bei Abfahrt auf die heutige Motorradtour hat´s schon 17°C um 11Uhr. Blöderweise hat der hintere Reifen schon wieder Luft verloren – und keiner weiß warum (morgen wird ein Kinderplanschbecken für ihn gekauft, damit man zuhause mal erkunden kann, wo Bläschen aufsteigen). Als erste Abhilfe für Luftlosigkeit kriegt er von Dr. Martin zwei CO2-Kartuschen reingehauen und schwupps geht´s los. (Später, zuhause dann, entpuppt sich ein eingefahrener Nagel im Reifen als der Übeltäter).
Nördlich von Alcossebre überqueren wir auf der kleinen CV133 den ersten von vielen Gebirgszügen des heutigen Tages. Wahre Unmengen an Mandelbäumen stehen hier herum und wir hätten, wenn wir´s denn gewusst hätten im März, gar nicht so weit auf die Suche nach der Mandelblüte begeben müssen: (a) Wenn das Gute liegt so nah …, b) hätte hätte … Fahrradkette, c) Umwege erhöhen die Ortskenntnis).
Jetzt aber schrauben wir uns über allerkleinste, kurvenreiche Straßen hinauf in die Berge bis wir die romantische Silhouette des Örtchens Castell d´Àres de Maestrat erblicken. Bei Ares pausieren wir bei einem Cortado und einem spanischen Motorradfahrer, der kein Wort Englisch oder Deutsch spricht (und wir können nur Gastronomiespanisch), der aber die gleiche BMW fährt und auch den gleichen Helm wie Martin hat. Gestikulierend will er wissen, ob wir ein Problem mit dem Mopped hatten …, weil er uns bei einer Fotopause am Straßenrand gesehen hat und selbiges vermutete. Als das geklärt ist, fährt er winkend weiter.
Unsere Tour führt uns auf der schnellen CV12 bis nach Morella. Die Stadt beeindruckt schon aus der Ferne durch die kompakte Festungsanlage innerhalb einer erhaltenen Stadtmauer. Wir fahren innen an der Stadtmauer entlang und nehmen uns für ein nächstes Mal vor, mehr Zeit und leichteres Schuhwerk für eine ausgiebige Besichtigung und Erkundung einzuplanen.
Vor und nach Morella haben wir uns auf einer Höhe von knapp 1000müM bewegt, danach steigen wir noch bis auf 1250müM auf – was natürlich kühlere Temperaturen (runter bis auf 10°C!) bedeutet. Unser herzlicher Dank geht an die Sitzheizung und die Heizgriffe.
Ein Stück hinter Morella biegen wir von der N232 in Richtung Osten auf die CV105 ab und bewegen uns auf einem engsten Sträßchen durch den Parc Natural della Tinencha de Benifassa. Steine, die an die Sächsische Schweiz erinnern, an einem Stausee vorbei, die Landschaft ist toll, die Straße ist toll und es gibt kaum Verkehr auf unserer Route.
Bei La Senia sind wir raus aus dem Nationalpark und düsen auf direktem Wege über die N340 die letzten 65km bis Alscossebre. Für Peniscola hat es auch diesmal wieder nicht gereicht … muss leider nochmal warten bis zum nächsten Spanienbesuch.
Zurück auf Meereshöhe blasen uns auch wieder 18°C an und wir sind zufrieden und glücklich nach sieben Stunden und 222km zurück auf dem Campingplatz.
Freitag, 16. Dezember 2022
Der letzte Tag im Warmen … eine letzte Radtour erwartet uns. Es geht durch Alcossebre und dann am Strand bzw. auf einer geschotterten Straße entlang durch den angrenzenden Nationalpark. Der Strand Argilaga ist der Umkehrpunkt.
Ein letzter Cortado im quirligen Straßencafé. Mittags dann wieder auf dem Campingplatz. Die Räder werden noch abgebürstet und feucht abgewischt, damit nicht der ganze rote Schlamm der Offroadwege mit nach Berlin genommen wird und sie sich anständig daheim bei der technischen Durchsicht vorstellen können.
Wir laden die Gummikuh in ihren Stall, gesellen die Bikes zu ihr, binden alle Tierchen gut an und schließen die Stalltür. Dann drehen wir mit vereinten Kräften die Deichsel des störrischen Hängers (er will hierbleiben!) In Fahrtrichtung. Dann wird noch das Aufstelldach eingefahren und die Innenseite der Scheiben geputzt. Wir richten alles her für die morgen anstehende Abfahrt.
Wehmut macht sich breit und sich widerstreitende Gefühle: einerseits ist die Aussicht schön, die Lieben daheim wiederzusehen, andererseits ist das Lebensgefühl hier in den warmen Gefilden schon ein erheblich intensiveres als am bevorstehenden Nordpol. Wir werden die Sonne vermissen und die Freiheit, von der wir hier so viel kosten konnten.
Samstag bis Montag, 17. bis 19. Dezember 2022
Am Samstagmorgen treten wir früh den Heimweg an. Pro Tag schrubben wir um die 700km. Zunächst kommen wir bis Puy- Saint-Martin, einer französischen, kleinen Gemeinde im Departement Drôme. Bei Minustemperaturen halten wir´s über Nacht auf dem örtlichen Stellplatz trotzdem gut aus mit dem von der Zweitbatterie betriebenen Heizdeckenunterbett und in Skiunterwäsche.
Dann geht´s in der zweiten Etappe bis nach Weinsberg bei Neckarsulm, wo wir auf ähnliche Art die Nacht überstehen. Zu Glatteis gefrorene Pfützen auf dem Stellplatz laden ein zum Beinebrechen.
Das tun wir aber nicht, sondern schliddern auf vereisten Straßen die Strecke bis Berlin heim.
Freundlicherweise hat der Wettergott ein Einsehen mit uns und stellt für unser Ankommen in Berlin die Minustemperaturen ein und lässt zumindest 8 Plusgrade zu. Damit gelingt die Eingewöhnung etwas leichter – trotzdem vermissen wir Spanien und reisen bald wieder da hin.